Der Sauerteig (Sauer)

Woher kommt er? Wie entsteht er?

 

Sauerteig ist ein Mittel zur Lockerung und Säuerung von Teig, das wahrscheinlich im alten

Ägypten erfunden wurde. Sauerteig entsteht aus einem Gemisch von Mehl und Wasser unter Einwirkung von Wärme und der jeweils am Ort der Herstellung oder der Ernte des

verwendeten Getreides befindlichen wilden Hefen (Lockerung, »Gehen«) und

Milchsäurebakterien (Säuerung). Diese beiden Organismen gehen im Sauerteig eine

Symbiose ein und benötigen nach ein paar Tagen (je nach Temperatur) weitere

Nahrungszufuhr in Form von Mehl und Wasser.

 

Man unterscheidet zwischen Sauerteig und Hefe. Gemeint ist dann die in Würfeln und als

Pulver erhältliche Bäckerhefe, ein über Jahrzehnte aus wilden Hefen gezüchtetes robustes

Produkt, das stärker und schneller zur Teiglockerung führt. Ihr fehlt jedoch der

charakteristische Sauerteig-Geschmack, der auch durch Zugabe von Sauerteig-Extrakt oder

Säuerungsmitteln wie Essig nicht ganz erreicht werden kann.

 

Bei Verwendung eines sog. "Reinzuchtsauers" fehlt also die Komponente "Hefe". Diese muss

in diesem Falle als gekaufte Frischhefe hinzugefügt werden. Sonst fehlen die Löcher im Brot

und man erhält ein knüppelhartes, festes Fladenbrot. Auf Segelschiffen in früheren

Jahrhunderten ein so gewolltes Phänomen wegen der guten Haltbarkeit.

 

Sauerteig-Kulturen können sich voneinander in Geschmack und Aktivität unterscheiden. Das

hängt von den beteiligten Mikroorganismen ab, die sich vor allem an der Schale des

Getreidekorns befinden, aber auch in der Luft. Ein in San Francisco angesetzter Sauerteig

kann deutlich anders schmecken als ein in München angesetzter, ein aus Roggenmehl

angesetzter anders als einer aus Weizen usw.

 

Eine einmal ins Leben gerufene Sauerteig-Kultur kann konserviert (getrocknet, gekühlt,

tiefgefroren) werden und mitsamt ihrer Charakteristik wieder belebt werden. Das macht es

möglich, Sauerteig aus anderen Regionen zu kaufen, zu tauschen oder sich aus dem Urlaub

einen selbst gemachten Sauerteig mitzubringen.

 

Sauerteig lässt sich im Kühlschrank problemlos aufbewahren. Er verfällt dann in einen

Ruhezustand. Wenn man dann mit ihm backen will, kann man ihn durch Zufuhr von Mehl,

Wasser und Wärme wieder backfertig machen.

WICHTIG:

die berechnete Sauerteigmenge bezieht sich immer auf den Anteil an Roggenmehl. Niemals

auf den Weizenanteil. Nur Roggen muss zwingend gesäuert werden.

 

Wie erhalte ich Sauerteig?

 Entweder, indem ich aus Mehl und Wasser selbst Sauerteig herstelle oder indem ich eine

bereits vorhandene Sauerteig-Kultur (vom Bäcker, von Freunden, aus der Tüte) vermehre.

 

Sauerteig aus einer vorhandenen Kultur vermehren

 Wie oben, aber am Anfang die vorhandene Kultur mit einrühren. Bei einer stabilen Kultur

sollte es auf diese Weise nicht so lange dauern, also eher 1 bis 3 Tage.

Was ist: „an einem warmen Ort": Optimal für die Entwicklung des Sauerteiges sind Temperaturen zwischen 25 und 30°C. Bei niedrigeren Temperaturen dauert die Entwicklung des Sauerteiges länger, manchmal kommt er gar nicht zustande. Bei höheren Temperaturen entsteht weniger Säure und der Geschmack kann fade werden.

 

Ein häufiges Problem sind zu niedrige Temperaturen. Es kommt zwar auf die Stärke der

Kultur an, die man verwendet. Es gibt sehr starke Kulturen, die, aus dem Kühlschrank

genommen, nach 3 Stunden schon losblubbern. Wer aber Sauerteig selbst herstellen will, wird bei warmen Temperaturen eher Glück haben. Im Winter stellt man die Schüssel einfach auf die Heizung. Im Sommer kann man, falls es nicht warm genug ist, eine Warmhalteplatte, eine Heizdecke oder bei manchen Öfen und Herden die Warmhaltestufe verwenden. Auch eine starke Glühlampe gibt möglicherweise genug Wärme ab.

 

Bemerkung zu weiteren Zutaten:

 

Manchmal wird empfohlen, neben Mehl und Wasser weitere Zutaten zuzugeben, etwa

Kümmel, Jogurt, Kartoffelwasser, Weintrauben, Essig oder gar Bäckerhefe. Wenn das auch

oft nicht schadet, nützt es jedenfalls auch nicht. Die in diesen Zutaten befindlichen

Organismen entwickeln sich in einem klassischen Sauerteig nicht von selber. Die meisten von

ihnen verschwinden, sobald sich der Sauerteig stabilisiert. Es kann aber auch sein, dass sie die vorhandene Sauerteig-Symbiose stören. Bäckerhefe z.B. ist empfindlich gegen die Säuren im Sauerteig. Es werden also entweder die Säuren die Bäckerhefe verdrängen oder umgekehrt. Andere Zutaten als Mehl und Wasser können also getrost gleich weggelassen werden. Auch Salz gehört nicht in den Sauerteig. Wenn man also vom backfertigen Sauerteig einen Teil für das nächste Backen aufheben will, sollte man das vor der Zugabe jeglicher Zutaten, tun. Salz im Sauerteig hemmt die Vermehrung von Hefen. Im Brotteig jedoch ist Salz in der Regel nicht nur geschmacklich erwünscht, sondern versieht auch bei der Stabilisierung der Brotstruktur seinen Dienst.

 

Wie pflege ich meinen Sauerteig?

 Die meisten Sauerteig-Bäcker haben eine kleine Menge Sauerteig vorrätig, aus der sie bei

Bedarf eine größere Menge backfertigen Sauerteig machen. Von dieser nehmen sie vor dem

Backen einen kleinen Teil ab, der ihnen beim nächsten Mal als Startkultur für backfertigen

Sauerteig dient. Auf diese Weise kann man mit einer einzigen Sauerteig-Kultur praktisch

unbegrenzt lange auskommen.

 

Sauerteig hält sich problemlos in einem Schraubglas im Kühlschrank. Auch dort gärt er sehr

langsam weiter, weshalb

a) das Schraubglas nicht fest verschlossen werden sollte,

b) der Sauerteig irgendwann wieder aktiviert werden sollte, damit die Mikroorganismen in

ihm nicht »verhungern«.

Wenn sich nach ein paar Tagen eine leicht alkoholische Schicht (»Fusel«) auf dem Sauerteig bildet, ist das normal. (Dass der Sauerteig dann nicht mehr säuerlich, sondern eher »chemisch« riecht, ist auch kein Grund zur Beunruhigung – bei Wiederbelebung kehrt die alte Säuerlichkeit zurück.) Vor Gebrauch rührt man diese Schicht einfach unter.

 

Wenn man auch nur alle paar Wochen bäckt, hält sich der Sauerteig in der Regel gut. Manche wollen ihren Sauerteig noch nach einem halben Jahr verwendet haben. Eine längere

Lebensdauer soll so genannter »Krümelsauer« haben: Sauerteig, der mit viel Mehl zu

Krümeln gemischt wird. Sauerteig lässt sich auch einfrieren.

 

Eine Methode, die weniger zur Aufbewahrung als vielmehr zum Transport per Post oder als

»Sicherheitskopie« gedacht ist, ist das Trocknen. Streicht man Sauerteig dünnflüssig auf einen Bogen Wachs- oder Backpapier, lässt er sich nach dem Eintrocknen leicht lösen und klein krümeln. Das so gewonnene Pulver lässt sich wie wieder reaktivieren.

Spezialsauer - gefriergetrocknet - lange Haltbarkeit und absolut sicher.

 

Alles vorher Gesagte versagt aber in den Tropen oder bei einem heißen, langen Sommer in

unseren Breiten. Schmieriger, stinkender und nicht mehr seine Arbeit verrichtender Sauer ist

die Regel bei einem Laien, der nicht die Zeit und die Ausbildung eines Bäckers hat.

Hier nun greift mein „gefriergetrockneter" Sauer in die Unmöglichkeit einer Lagerung bei

hohen Temperaturen ein. Diese Trocknung verhindert ein weiteres Säuern, eine

Verunreinigung durch Fremdbakterien oder Pilze. Der Sauer bleibt 4-5 Jahre ohne Probleme

lagerfähig.

 

Wie backe ich mit Sauerteig?

 Rezeptsammlungen in Büchern oder dem Netz bieten zahlreiche Sauerteig-Rezepte. In vielen

davon ist allerdings etwa von »Sauerteigextrakt aus dem Reformhaus« o.ä. die Rede. Weiter

enthalten die meisten zusätzlich Bäckerhefe - wogegen selbstverständlich nichts zu sagen ist,

was allerdings auch nicht den reinen Sauerteig-Geschmack ergibt.

Ein reines Sauerteig-Brot braucht im Vergleich zu anderen Broten vor allem zwei Dinge: viel

Sauerteig (20 bis 40% des Teigs) und viel Zeit (zum Gehen).

 

Der Sauerteig muss backfertig sein, wenn das Brot ohne Bäckerhefe auskommen soll. Auf

Englisch nennt man den backfertig aktivierten Sauerteig »Sponge« (= Schwamm, weil von

Bläschen durchsetzt). Backfertigen Sauerteig erkennt man wie unter 2.a) beschrieben. Wenn

er nur säuerlich riecht, aber keine oder nur wenig Bläschen aufweist, kann man damit zwar

auch backen - es schmeckt dann auch ein wenig nach Sauerteig -, aber man benötigt

zusätzlich ein Lockerungsmittel wie Bäckerhefe.

 

Wenn der Sauerteig aus dem Kühlschrank kommt, ist er in der Regel nicht backfertig, sondern befindet sich im Ruhezustand. Man vermischt ihn dann mit so viel Wasser und Mehl, wie zusammengenommen im Rezept an Sauerteig verlangt wird (nicht zu knapp, denn man braucht ja auch wieder einen Rest Sauerteig für das nächste Mal) und lässt das Gemisch so lange stehen, bis es den Kriterien für backfertigen Sauerteig entspricht. Das passiert je nach Wärme über Nacht oder in wenigen Stunden.

 

Außer Brotrezepten aus Sauerteig gibt es auch Rezepte für Waffeln, Baguettes und Brötchen aus Sauer. Die Einschnitte im Brot dienen übrigens dazu, die beim Back Prozess entstehenden Gärgase schnell entweichen zu lassen.

 

Welches Mehl und Getreidesorten kann ich verwenden?

 Zur Herstellung von Sauerteig eignen sich grundsätzlich alle Getreidearten.

Die gebräuchlichen Mehle aus Weizen und Roggen haben verschiedene Typenbezeichnungen, die für den Mineralstoffgehalt stehen, der sich wiederum aus dem Anteil an Keim und Schale des Korns ergibt. Je höher die Typenbezeichnung des Mehls,

• desto mehr Asche fällt an, wenn man das Mehl verbrennt (so wird die Type berechnet),

• desto mehr Mineralstoffe sind enthalten,

• desto geringer ist sein so genannter Ausmahlungsgrad und

• desto dunkler ist das Mehl.

Die Bezeichnung »Type 550« ergibt sich z.B. aus einem durchschnittlichen

Mineralstoffgehalt von 0,55 %.

 

Im Handel sind hauptsächlich folgende Typen: bei Weizenmehl 405 (das übliche

»Weißmehl«), 550, 1050 und 1070 (Weizenbackschrot), bei Roggen 997, 1150, 1800

(Roggenbackschrot) sowie Weizen- und Roggenvollkornmehl ohne Typenbezeichnung.

Die Herstellung von Sauerteig gelingt mit hohen Mehltypen oder Vollkornmehl besonders

gut. (Wahrscheinlich, weil an der Schale noch Mikroorganismen haften, die gebraucht

werden.) Es gibt typischen Weizen- und typischen Roggen-Sauerteig mit je charakteristischem Geschmack. Im deutschsprachigen Gebiet gilt Roggen-Sauerteig oft als

typisch.

 

Beim Backen gibt in erster Linie der Geschmack vor, welches Mehl man verwendet. Man

sollte aber beachten, dass die Brote umso länger gehen müssen und/oder umso mehr Sauerteig benötigen, je stärker das Mehl in Richtung Vollkornmehl geht.

Daneben spielt der Anteil an Kleber-Eiweißen (Gluten) und deren Art eine Rolle. Mehl aus

Getreide mit stabilem Kleber, z.B. Weizen, hat gute Backeigenschaften: es geht gut auf und

hält gut zusammen. Der Kleber in Roggen hingegen ist schwach. Außerdem enthält Roggen

viele Enzyme, die durch ihren Abbau von Stärke das Brot »klitschig« machen können. Die

Säure aus dem Sauerteig hemmt nun diese Enzyme und stärkt darüber hinaus den Roggen-

Kleber. Sauerteig ist also wie geschaffen für Roggenmehl. Ein nur mit Bäckerhefe

aufgegangener Teig aus Roggenmehl würde beim Backen in sich zusammenfallen. Nur in

Verbindung mit Säure ist auch das Kleber-Eiweiß des Roggens dazu geeignet, dass eine

lockere Krume entsteht.

 

Mehl mit schwachem oder ohne Kleber (wie z.B. Maismehl) kann man zur Verbesserung der

Backeigenschaften mit Weizen- oder Roggenmehl und/oder mit reinem Kleber, der aus

Weizenmehl gewonnen wird und im Handel erhältlich ist, mischen.

 

Weitere interessante Getreidesorten zum Backen mit oder ohne Sauerteig

 • Amaranth (aus Südamerika stammendes Getreide)

• Buchweizen (botanisch gesehen kein Getreide)

• Emmer (Vorläufer des Kulturweizens)

• Dinkel (Spelzweizen, Vorläufer des Kulturweizens, nussiger Geschmack)

• Gerste

• Grünkern (unreif geernteter und gedarrter Dinkel, herzhafter Geschmack)

• Hafer

• Hartweizen (botanisch: Durum, eignet sich gut für Nudeln, aber nicht zum Backen, weil die Kleber zu schwach sind)

• Kamut (»Urweizen«, Weizenart ungeklärter Herkunft, Markenprodukt)

• Mais

• Quinoa (aus Südamerika stammendes Getreide)

• Reis

 

Mehl

Viele Läden führen nur Weizenmehl Type 405, das dann auch oft ab DM -,45 pro Kilo zu

haben ist. Type 550 ist manchmal auch günstig, höhere Typen kosten oft um die DM 2,-. Bei

Kaufland gibt es Roggen- und Weizenvollkornmehl für ca. DM -,80. Mehl von höchster Qualität bekommt man in Bioläden und Reformhäusern. Dort kann man sich meist auch Getreide frisch mahlen lassen. Um daraus Mehl geringerer Typen zu machen, müsste man allerdings die Kleie aussieben. 1 Kilo Weizen oder Roggen kostet dort ca. DM 2,- , Dinkel oft das Doppelte.

 

Günstiger gibt es größere Mengen Mehl oder Getreide oft lose in Bioläden, bei Bauern und in Mühlen (siehe »Gelbe Seiten«). Im Lauf der Zeit sollen erprobte Mühlen aufgelistet werden. Wer eine günstige und gute Bezugsquelle kennt, bitte mitteilen.

 

Der richtige Backofen

 Wer sich ernsthafter mit dem Brotbacken beschäftigen möchte, der kommt an einem richtigen Brotbackofen eigentlich nicht vorbei. Nur er bietet zum Beispiel die Möglichkeit, mit Setzkästen bis zu 24 Brote gleichzeitig zu backen, die dann sogar auch nach verschiedenen Geschmacksrichtungen hergestellt sein können. Brotbacköfen können freistehend oder als Einbaugerät den normalen Küchenherd vollständig ersetzen. Der einzige, aber entscheidende Unterschied ist, daß Brotbacköfen eine enorme Wärmespeicherkapazität besitzen, um die hohe Anfangshitze möglichst lange aufrechtzuerhalten. Nur dann bildet sich nämlich die knusprig braune Kruste, ohne dass das Brot innen austrocknet, und das ist wiederum wichtig für eine lockere innere Krumenbildung.

 

Wer jetzt so richtig Lust aufs Brotbacken bekommen hat, aber keinen Platz in der Küche

findet, der kann auch einen Brotbackofen nach dörflichem Vorbild im Garten erbauen. Es gibt vorgefertigte Bausätze mit einer ausführlichen Aufbauanleitung. Der Ofen wird mit Holz

aufgeheizt. Dann kann in der von der Glut befreiten Kammer das Brot oder sogar eine

exotisch gewürzte Pizza unter Nutzung der Speicherwärme ausgebacken werden.